Chartanalyse
Das Börsenhandeln basiert vielfach auf Finanzanalysen. Dabei gibt es zwei grundverschiedene Ansätze: Die Chartanalyse und die Fundamentalanalyse. Während letztere versucht, den Aktienwert aus den fundamentalen Unternehmensdaten abzuleiten, fokussiert sich die Chartanalyse, auch technische Analyse genannt, auf beobachtete Kursverläufe und Kursmuster. Dieses Verfahren ist keineswegs neu und wurde erstmals Ende des 19. Jahrhunderts von Charles Dow, dem Namensgeber des berühmten Dow Jones Index, entwickelt. Mindestens so alt wie die technische Analyse selbst ist auch der Streit darüber, was das Verfahren tatsächlich taugt. Es gibt „erbitterte“ Befürworter aber auch Gegner. Am besten, Sie bilden sich selbst ein Urteil.
Was ist die Chartanalyse?
Der Chartanalyse liegt die Annahme zugrunde, dass sich in den Aktienkursen bereits alle relevanten Informationen widerspiegeln. Das erübrigt tiefergehende Analysen jenseits des Kursverlaufs. Aus diesem Grund konzentriert man sich ganz auf das „Chart“ – die grafische Darstellung der Kursentwicklung in einem Diagramm. Chartanalytiker gehen dabei davon aus, dass es im Zeitablauf Kursmuster gibt, die sich immer wiederholen. Das lässt sich aus „typischen“ Reaktionen der Marktteilnehmer erklären. Wenn ein bestimmtes Kursmuster zu beobachten ist, kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf den weiteren Kursverlauf geschlossen werden – so die These. Bei einem bestimmten Kursmuster liegt dann zum Beispiel eine Indikation vor, dass eine Konsolidierung ansteht.
Darauf aufbauend versucht die charttechnische Analyse, „richtige“ Zeitpunkte für den Kauf oder Verkauf zu finden, um von prognostizierten Kursentwicklungen zu profitieren. Eine wichtige Rolle spielen Trends und Wendepunkte, die man mit Hilfe spezifischer Chartsignale zu identifizieren hofft. Die Chartanalyse wurde über viele Jahrzehnte „händisch“ betrieben. Dank moderner Computertechnik und intelligenter Algorithmen findet sie inzwischen automatisiert und wesentlich verfeinert statt. Dabei kommen ausgeklügelte mathematisch-statistische Verfahren zum Einsatz.
Wie funktioniert die Chartanalyse?
Grundlage der charttechnischen Analyse ist das Kursdiagramm. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Kursverläufe optisch darzustellen – als Linienchart, als Balkenchart oder in Candlestick-Form. Wichtiger ist es, Kurstrends – ob als Aufwärtstrend oder als Abwärtstrend und Chartsignale zu identifizieren. Eine zentrale Bedeutung hat der gleitende Durchschnitt, der erratische Kursschwankungen „glättet“ und so den Trend sichtbar macht. Mit einem Trendkanal soll eine Aussage über die Bandbreite des möglichen weiteren Verlaufs getroffen werden. Mit Unterstützungslinien und Widerstandslinien will man feststellen, wo ein Trend an seine Grenzen stößt bzw. ob eine Trendwende wahrscheinlicher wird.
Beispiel
Beim gleitenden Durchschnitt werden fortlaufend Kursdurchschnitte für konstante Zeiträume berechnet und zu einer Linie verbunden. Häufig wird der 200-Tage-Durchschnitt oder der 100-Tage-Durchschnitt angegeben. Dadurch lassen sich Trends gut erkennen. In der Regel „oszillieren“ die Kurse um die Durchschnittslinie herum.
Für die Bezeichnung von typischen Kursmustern sind eine ganze Reihe an grafischen Darstellungen entwickelt worden: Doppelboden, Doppeltop, fallendes Dreieck oder Tripple Bottom sind nur einige Beispiele dafür. Darüber hinaus gibt es Maße, die Kursschwankungen, -abweichungen und -bewegungsintensitäten erfassen und darstellen. Gängig sind zum Beispiel die Standardabweichung oder das Momentum. Damit soll festgestellt werden, wie stabil und „zuverlässig“ ein Trend ist bzw. ob eine Trendumkehr oder ein Ausbruch aus dem Trend ansteht. Auf der Basis dieser klassischen Analyse-Instrumente hat die moderne charttechnische Analyse zahlreiche weitere und noch feinere Maße entwickelt, zum Beispiel die Bollinger Bänder – eine Verknüpfung von gleitendem Durchschnitt und Standardabweichung.
Welches Ziel verfolgt die Chartanalyse?
Das Grundziel der charttechnischen Analyse besteht darin, Marktentwicklungen zu antizipieren, noch ehe sie tatsächlich stattfinden. Umgangssprachlich heißt das, der Chartanalytiker will den Markt schlagen, in dem er Chartsignale nutzt und Käufe oder Verkäufe so frühzeitig platziert, dass er beim Eintreffen des vorhergesagten Kursverlaufs einen Gewinn realisieren kann. Bei der Erwartung steigender Kurse wird daher zu einem frühen Zeitpunkt günstig gekauft und später teurer verkauft. Bei vorhergesagten sinkenden Kursen wird dagegen teuer (leer-)verkauft und später günstig glattgestellt. Es spielt für Chartanalytiker keine Rolle, ob steigende oder sinkende Kurse erwartet werden. Hauptsache, „es bewegt sich was“. Am wenigsten kann ein solcher Akteur mit Seitwärtsbewegungen anfangen.
Warum sollte man die Chartanalyse anwenden?
Die Gegner der charttechnischen Analyse bestreiten deren Mehrwert. Am entschiedensten sind dabei wohl die Anhänger der sogenannten Markteffizienzthese. Sie sind der Überzeugung, dass es auf effizienten Finanzmärkten auf Dauer sinnlos ist, den Markt schlagen zu wollen, indem nach günstigen Kauf- und Verkaufszeitpunkten gesucht wird. Ebenso wird bestritten, dass es möglich ist, aus vergangenen Kursverläufen auf künftige Kurse zu schließen. Die Charttechnik und das Schauen auf Chartsignale wären danach „gehobener Humbug“.
Hinweis
Die Markteffizienzthese wurde 1970 von Eugene F. Fama aufgestellt. Danach ist letztlich jede Finanzanalyse überflüssig, weil die Finanzmärkte alle für die Kursbildung relevanten Informationen zeitnah verarbeiten und Informationsvorsprünge nicht möglich sind. Das gilt aber nur auf vollkommenen Märkten. Die Empfehlung lautet hier einfach, den „Markt als Ganzes“ zu kaufen und die Marktentwicklung abzuwarten.
Auf vollkommenen Märkten mit rational handelnden Akteuren spricht viel für die Markteffizienzthese. Jetzt kommt das große ABER: Die Realität sieht ganz anders aus. Hier kommt die „Marktpsychologie“ zum Tragen, ein Phänomen, das beim sogenannten „Behavioral Finance“-Ansatz der modernen Finanztheorie berücksichtigt wird. Danach gibt es durchaus typische Reaktionsweisen wie Herdenverhalten, Panikverkäufe usw., die die Kurse – zumindest kurzfristig – beeinflussen. Daraus resultieren dann auch bestimmte Kursverläufe, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit prognostizierbar sind. Behavioral Finance liefert damit ein theoretisches Fundament für die technische Analyse. Sie entspricht aber auch der praktischen Börsenerfahrung. Last but not least funktioniert sie auch deshalb, weil viele Börsenakteure daran glauben und danach handeln.
Soll man sich nur auf die Chartanalyse verlassen?
Allerdings wäre es sicher verfehlt, beim Börsenhandeln alleine auf die charttechnische Analyse zu setzen. Die Marktpsychologie wirkt sich eher kurz-, allenfalls mittelfristig auf die Kurse aus. Auf längere Sicht kommen dagegen die fundamentalen Daten stärker zum Tragen und der Börsenkurs nähert sich seinem „wahren Wert“ an. Die Frage der Anwendung der Chartanalyse hängt damit auch vom jeweiligen Ansatz bei Ihrem Börsen-Engagement ab.
Tipp
Wenn Sie eher spekulativ eingestellt sind und kurzfristig Gewinne an der Börse erzielen wollen, dann ist die charttechnische Analyse ein nützliches Instrument.
Am ausgeprägtesten ist das beim „Traden“, bei dem auch von kleinen Kursbewegungen innerhalb kürzester Zeitspannen profitiert werden soll. Sind Sie dagegen mehr ein Börseninvestor, der auf langfristigen Vermögensaufbau ausgerichtet ist, hilft Ihnen die Charttechnik nur wenig weiter. Dann sollten Sie sich auf die Fundamentalanalyse verlassen oder passiv in den Markt als Ganzes investieren. Der Vorteil dabei ist: Kurzfristige Marktbewegungen können Sie dann weitgehend vernachlässigen und permanentes „Starren aufs Chart“ ist für Sie irrelevant.
Wie lässt sich die Chartanalyse lernen?
Um die charttechnische Analyse zu lernen, bedarf es zwar nicht unbedingt eines Studiums, aber eine intensivere Beschäftigung mit den diversen Kursmustern und Chartformationen ist schon erforderlich. Das gilt auch für die Schlussfolgerungen, die daraus für das eigene Börsenhandeln zu ziehen sind. Was Unterstützungslinien, Widerstandslinien, Balkenchart, Candlestick, Doppelboden, Doppeltop, Abwärtstrend, Aufwärtstrend, Divergenzen, fallendes Dreieck usw. bedeuten, bedarf der Erklärung. Auch die statistischen Maße wie Standardabweichung oder Momentum benötigen Know How. Im Internet gibt es jede Menge Informationen, was Charttechnik und Chartsignale betrifft, daneben finden Sie auch reichlich Fachliteratur dazu. Nicht zuletzt hilft „Learning by Doing“.
Tipp
Traden können Sie üben: die meisten Trading-Plattformen bieten Demokonten an, bei denen Sie das Traden mittels Charttechnik testen können. Das ist eine Möglichkeit, um die technische Analyse im Selbststudium zu erlernen und anzuwenden, ohne Risiken einzugehen.
Fazit - Wie wollen Sie handeln?
Ehe Sie sich intensiver mit der Charttechnik befassen, sollten Sie aber jenseits jeder Erklärung eine Grundsatzentscheidung treffen, wie Sie an der Börse durchstarten wollen – ob als „Spekulant“, der auf schnelle Gewinne hofft, oder als langfristig ausgerichteter Investor, der Erfolg auch abwarten kann. Nur wenn Sie spekulativ handeln wollen, kann Sie die technische Analyse wirklich unterstützen. Wenn Sie jedoch kurzfristig und langfristig an der Börse erfolgreich agieren wollen, wäre ein ausgeklügeltes Instrument, das die Chartanalyse sowie die Fundamentalanalyse kombiniert, sinnvoll. Deshalb setzen Sie doch in Zukunft auf die unterstützende Analyse des Aktienscanners.
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